ICH HABE BRYAN ADAMS GESCHREDDERT

Oliver Bukowski
Premiere am 21. Februar 2015

2014 / 2015            

Oliver Bukowski / Premiere am 21. Februar 2015

Arbeit bringt Freude, das Team steht über allem und die beste Idee setzt sich durch. Das sind die großen Lügen der modernen Arbeitswelt, die uns motivieren sollen, uns jeden Morgen wieder zur Arbeit zu schleppen und auch noch Spaß dabei zu haben.Um den Zusammenhalt in seiner Abteilung zu fördern hat Frank Peukert, der stellvertretende Filialleiter eines Unternehmens für Sanitärkeramik, zu einer Sommersonnenwende-Party eingeladen. Doch die Vorzeichen stehen nicht gut. Je länger der Abend dauert und je stärker Alkohol und peinliche Partyspiele ihre enthemmende Wirkung entfalten, desto ungeschminkter löst sich der Abend im verbalen Gemetzel der Anwesenden in Wohlgefallen auf. Einzig Franks Sohn Jannik durchschaut den faulen Zauber und provoziert die Karrierehamster mit beißendem Sarkasmus.

Woran erkennt man eine gute Komödie? Dass man Tränen lacht, weil einem die ewigen Wahrheiten über die eigene Unzulänglichkeit so lustvoll um die Ohren gehauen werden, dass es nur so kracht im Gebälk. Der Gerhart-Hauptmann-Preisträger Oliver Bukowski beherrscht diese Kunst meisterhaft und zählt seit der Jahrtausendwende zu den meistgespielten Gegenwartsdramatikern deutscher Sprache.

NEU! ICH HABE BRYAN ADAMS GESCHREDDERT von Oliver Bukowski ist auch als eBook erschienen. Über die Website www.textbuehne.eu können Sie das Theaterstück in diversen Online-Shops bestellen.

Regie Gero Vierhuff Bühne & Kostüme Ilka Kops Dramaturgie Peter Hilton Fliegel Regieassistenz Lotta Seifert Inspizienz Pascal Simon Grote Soufflage Jannika Wübben Mit Ramona Marx ( Tanja Peukert), Wolfgang Finck (Frank Peukert), Benedikt Keller (Jannik, ihr Sohn), Aida-Ira El-Eslambouly (Simone Lange), Johannes Simons (Patrick Lange), Lena Schlagintweit (Paula Röder), Sven Brormann (Sascha)

Presseecho

Wilhelmshavener Zeitung 23/03/2015 „Ich habe Bryan Adams geschreddert“ spaltet Premieren-Publikum. Sind wir zu spät? Oder die anderen zu früh? Auf der Einladung steht Beginn 20 Uhr – Peukerts und auch ein paar von ihren vorwitzigen Gästen sind schon kräftig dabei – trinken sich auf ihrem hölzernen Terrassenkäfig in Stimmung.
Diesen Vorsprung müssen die Neuen im (ausverkauften) Saal erstmal verarbeiten, sich langsam einfinden ins scheinbar fröhliche Treiben dieser merkwürdigen und besonders schlecht angezogenen, irgendwie verkleideten Gesellschaft. Selbst die Mittelschicht sieht so nicht aus. Wenn es allerdings ins Programm gehört, der tiefe Griff in die Klamottenkiste regietechnisch gewünscht, dann hat Ilka Kops, verantwortlich für Bühne und Kostüme, einen wahrhaft guten Job gemacht.
Nur, auch die bunten Hemdchen können die Stimmung nicht retten: Gereizt schaukeln sich die mehr und mehr angetrunkenen Gäste in ihr persönliches Stimmungstief. Chef und Gastgeber Frank Peukert hält die Stellung mit Bratwurst vom Kugelgrill und zelebriert in schönster J.R.Ewing-Manier „Quality-Time“ als Motto des Abends. Eine Glanzrolle für Schauspieler Wolfgang Finck, der dem Fiesling und Existenzenvernichter durchaus sympathische Züge verleiht.
Natürlich ist es traurig, wenn eine Karaokenummer zu Bryan Adams „Summer of 69“ als Ersatzventil für wahre Lebensfreude herhalten muss. Peukerts hysterische Ehefrau Tanja, aufgeregt gespielt von Ramona Marx, arbeitet ihren Frust offenbar über Stimmlagen, bis zur Unkenntlichkeit ab. Sie ist es auch, die „schreddern“ darf – ein eher hilfloses Unterfangen. Frust bereitet Sohnemann Jannik (schön sperrig verkörpert durch Benedikt Keller). Jannik oder auch „das kleine, klugscheißende Wikipedia-Monster“, tanzt gerne mal aus der Reihe, wenn es sein muss im Kleid. Da kommt sowas wie Freude auf.
Es freuen sich die Partygäste Paula und Sascha, die ihre Überzeugungskraft den schauspielerischen Künsten einer Lena Schlagintweit und einem fabelhaften Sven Brormann verdanken. Zuviel Alkohol und Selbsterkenntnis – „Mein Mann ist eine karrieregeile Ratte“ – zeigen bei Ehepaar Lange Wirkung. Simone, „die mal gegen alles war, was wir heute so sind“, verliert mit steigendem Promillepegel die Kontrolle. Sie tanzt und leidet. Vielleicht kann das niemand so glaubwürdig wie Aida-Ira El-Eslambouly, so lasziv verlottert.
Johannes Simons, mit großem Wiedererkennungswert, versucht als Ehemann Patrick sein „rattenähnliches“ Verhalten mit glühender Kohle zu kompensieren – Selbsterfahrung kann schon schmerzhaft sein.
Keine leichte Aufgabe für die Regie, den Spagat zwischen Klamauk und Ernsthaftigkeit, ins rechte Lot zu bringen. Regisseur Gero Vierhuff und Dramaturg Peter Hilton Fliegel zeigen im wellenartigen Verlauf den Wechsel zwischen bürgerlicher Attitüde und schmerzhaften Gefühlsausbrüchen – „nur der Mensch zählt“ oder „ohne Blödheit kein Mut“. Schuld sind, so hat es Autor Bukowsky herausgearbeitet, die Optimierungsmonster der „modernen Arbeitswelt“. Das Dehnen in alle Richtungen strapaziert die Mittelschicht. „Mein Mann macht morgens Yoga, damit er sich tagsüber besser verbiegen kann.“ Auf hitzige Debatten folgt noch mehr Alkohol, wildes Tanzen und der Gang über die mittlerweile am Boden liegende Grillkohle. Die Gartenparty hat sich selbst zerstört. Vielleicht hat der eine oder andere Theaterbesucher schon ähnliches erlebt und schwankt noch zwischen Lachen und Weinen.
Gastgeberin Tanja besinnt sich ihrer Pflichten, serviert als letzten Gang perfekt gefaltete, blütenreine Bademäntel. So stehen dann die Protagonisten nach eineinhalb Stunden durchgängiger Spielzeit sichtlich erschöpft, dafür ganz in weiß, am Bühnenrand. Katerstimmung macht sich breit. Das ist gewollt.
Nach kurzer Dunkelheit setzt das Publikum zum artigen, aber fleißigen Schluss-Applaus an. Es liegt etwas Ungläubiges in der Luft, verdichtet zu der Frage „Sind wir wirklich so?“

Eigene Werte 23/02/2015 “Der Mittelschicht aufs Maul geschaut. So könnte man das Stück von Oliver Bukowski – “Ich habe Bryan Adams geschreddert” auf den Punkt bringen. Die Landesbühne Niedersachsen hat eine Komödie mit bissigem Humor präsentiert.
Bürger, die einen Job haben von dem sie recht und schlecht ihren Lebensunterhalt bestreiten können, sind perfide Zeitgenossen die sich gegenseitig nicht die Butter aufs Brot gönnen. Vorne herum ganz freundlich und von hinten gibts die Intrigen. Auf Peukerts Sonnenwendfest mit Grillwurst und reichlich weicher Alkoholika trifft sich die Belegschaft incl. Chef Peukert. Ein Kollege der kürzlich für den Arbeitsmarkt freigesetzt wurde, wird mit unterschiedlichen Gefühlen erwartet. Der Wein und das Bier lösen die Zungen und es wird nach und nach Tacheles geredet. Puh – da kommt so einiges heraus. Das alle weiblichen Kollegen mit dem jüngst gefeuerten in engerem Kontakt standen/lagen ist noch die am wenigsten überraschende Entdeckung. Der Sohn, Jannik – beeindrucken dargeboten von Benedikt Keller – sprengt die nett tutende Runde und zieht damit nach und nach den Zorn der gesamten Gesellschaft auf sich. Das seine Mutter ihn als „kleines klugscheißendes Wikipedia Frettchen“ bezeichnet ist bei weitem noch nicht der Gipfel. Der aber kontert treffend, dass jeder „talentierte koreanische Praktikant“ die Arbeit seiner Eltern und Mitarbeiter ausführen könne.
Der Sprachwitz von Bukowski und seine messerscharfe Analyse des mittelschichtigen Bürgertums ist fantastisch. Die Arbeitskollegen hocken aufeinander wie die Hyänen und warten auf die Gelegenheit zum Mobbing, den verbitterten Kampf um Job und Karriere. Auch wenn die Karriere nur in ausgefeilten Bezeichnungen daherkommt wie Deputy Key Account Manager, was soviel bedeutet wie Sachbearbeiterin Buchhaltung. In der Gesellschaft passt nur einer nicht hinein, Sascha (Sven Brormann), der Freund den Paula mitgebracht hat. Auch er kein Senkrechtstarter hat doch zumindest als Aussenstehender den einen oder anderen konfrontierenden Einwand. Er wird natürlich von der Grillgesellschaft zum schweigen gebracht. Es sind die halb verschlungenen Sätze, die manchmal im Nachtreten rausgehauen werden, die mit eigenwilliger Wahrheit daherkommen.
Eigentlich müsste einem das Lachen im Halse stecken bleiben, weil man sich so oft selbst wieder findet. Ganz so streng ist es aber nicht. Es ist eine Komödie, und als Komödie kann man gerne einmal den Spiegel auf sich drehen.”