Die Stunde da wir nichts voneinander wussten

Menschen bewegen sich in ständigem Kommen und Gehen über einen Platz: Hier kreuzen zwei Figuren in weißen Mänteln mit einer Bahre den Weg einer Zirkustruppe, dort läuft eine Schwangere, ein anderer streift sich den Hundekot vom Schuh, und ein weiterer mimt eine Zwiebel schälend den Peer Gynt. Sie alle stammen aus verschiedenen sozialen Milieus und Altersgruppen, einige finden zueinander, andere bleiben für sich. Es sind faszinierende Momentaufnahmen alltäglicher Situationen, die sich auf der Bühne zu einem eindrucksvollen Tableau verdichten: mal witzig, mal sinnbildhaft, mal mystisch aber immer höchst lebendig...

Peter Handke (*1942) erhielt 2019 den Literaturnobelpreis. In DIE STUNDE DA WIR NICHTS VONEINANDER WUSSTEN, einem Theaterstück ohne gesprochenen Text, setzt Handke ganz auf die Faszination für Begegnung und Beobachtung und bietet im wahrsten Sinne des Wortes ein unterhaltsames und fesselndes Schau-Spiel, ein Theatererlebnis der besonderen Art – ganz ohne Worte.

Regie Olaf Strieb
Bühnenbild Björn Wübben
Kostümbild Manuela Dillwitz & Monika Kleen
Dramaturgie Kerstin Car


Bühnenbeschimpfung (Liebe ich es nicht mehr oder liebe ich es zu sehr?)

Wir wissen, Sie lieben das Theater! Aber liebt es Sie auch zurück? Und wenn Sie behaupten, dass Sie das Theater lieben – meinen Sie dann die Institution, ihre Relevanz oder die Vorstellung am Abend? Sehen Sie die Schauspieler*innen, die allabendlich ihre Körper einsetzen, zur Verfügung und zur Schau stellen oder nur die Rollen, die sie spielen, während Sie im Saal sitzen, gähnen
oder mitfiebern? Wie geht es Ihnen, unserem Publikum, eigentlich? Und was sagt das Theater selbst zu diesem ganzen Theater, das um es herum gemacht wird...?

Sivan Ben Yishai (*1978), eine der renommiertesten, zeitgenössischen Theaterautorinnen und „Dramatikerin des Jahres 2023“ (Theater heute), erschuf ein theatrales Triptychon, das sich ganz dem Theater und seinen Körpern widmet – der Textkörper ist dabei genauso multiperspektivisch, diskursiv, lustgeladen und kritisch wie das Theater und sein Publikum selbst und hinterfragt, wie es um die altehrwürdige Institution und die Erwartungen des Publikums bestellt ist – und wie es überhaupt für uns alle weitergehen kann.

Regie Daniel Kunze
Bühnen- & Kostümbild Sophie Leypold
Dramaturgie Kerstin Car


THE PARTY

Um ihre Nominierung als Gesundheitsministerin im Schatten-kabinett gebührlich zu feiern, schmeißen Janet und ihr Ehemann Bill eine gediegene Party. Solange Janet noch Häppchen zubereitet, gibt Bill den DJ, während nach und nach die Gäste eintrudeln. Janets langjährige Freundin April hat ihren spirituell angehauchten Partner Gottfried im Schlepptau – mit dem sie allerdings gerade in Trennung lebt. Universitätsprofessorin Martha und Lebensgefährtin Jinny sind genauso mit von der Partie wie Banker Tom, Ehemann von Janets Kollegin Marianne. Doch was als kultivierte Party beginnt, entwickelt sich sehr bald zu einem bissigen Enthüllungsdrama, das die Beziehungen der Gäste ordentlich durcheinanderwirbelt ...

Sally Potter (*1949), Autorin des gleichnamigen Kinoerfolgs, überarbeitete ihr Drehbuch für die Bühne und beschert uns mit ihrer Filmadaption THE PARTY einen, mit subtilem britischen Humor gespickten, Blick hinter die bourgeoise Fassade des linksliberalen Bürgertums, bei dem, changierend zwischen Boshaftigkeit und Unterhaltung, die Lebens- und Liebeslügen der feinen Gesellschaft höchst amüsant aufgedeckt werden.

Regie Jochen Strauch
Bühnen- & Kostümbild Christin Treunert
Dramaturgie Peter Krauch


ANFANG UND ENDE DES ANTHROPOZÄNS

27 und 42 sind der Hoffnungsschimmer des W.S.P., des World Stupidity Programs, zu deutsch: des Welt-Dummheits-Programms. Im Angesicht krisenhafter Zustände konnten die beiden beweisen, dass sie in der Lage sind, einen kühlen Kopf zu bewahren und obwohl 27 und 42 wahrlich nicht zur Kategorie „Intelligenzbestie“ gehören, sind sie damit immerhin weniger dumm als der Rest. Also wurden sie auserkoren, sich zu verpaaren, um der zunehmenden Verblödung der Menschheit entgegenzuwirken. Einziges Problem: Sie wissen nicht, wie und türmen. Hals über Kopf begeben sie sich auf eine rasante Flucht ...

Philipp Löhle (*1978), seit Jahren einer der produktivsten, zeitgenössischen Dramatiker*innen Deutschlands, hat mit ANFANG UND ENDE DES ANTHROPOZÄNS eine rasant-absurd erzählte Odyssee verfasst, in der die Frage, ob wir bereits am Ende der Menschheitsgeschichte angelangt sind, brennend komisch gestellt wird. Eine irrwitzige Dystopie, ein futuristischer „Road-Movie“ über den homo sapiens – mit Hoffnungsschimmer!

Regie Marie-Sophie Dudzic
Bühnen- & Kostümbild Matthias Strahm
Dramaturgie Peter Krauch

Stückdauer ca. 1 Std. 40 Min., keine Pause
Weitere Fotos gibt es hier.


Der Tempelherr

nur so ein ganzes Haus / mit wänden / türen / fenstern / keller / speise-, kinder-, schlaf- und gästezimmer / bad und klo / auch brause im hause / krüppelwalmdach / terrasse / carport / hundehütte / kräuterbeet.

Heinar und Petra wollen der Stadt den Rücken kehren und auf einem frisch erworbenen Grundstück auf dem Land ein Haus bauen – für sich und das Kind, das sie erwarten. Ein Eigenheim errichten: Heinar gibt sich dieser Aufgabe ganz hin, mit der Zeit immer skeptischer beobachtet von Familie, Freund*innen und der Landbevölkerung. Die Baustelle wächst ins Unermessliche und es entsteht ein gigantischer und geheimnisvoller Tempel, in dessen Fluchten und Säulengängen Heinar irgendwann selbst verloren zu gehen scheint … Der österreichische Dramatiker Ferdinand Schmalz (*1985), mehrfach zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen und Preisträger des Ingeborg-Bachmann-Preises, beobachtet in DER TEMPELHERR mit einer zugleich zärtlichen und brutalen Sprache, wie jemand bei dem Versuch, seinem Leben Bedeutung zu verleihen, aus diesem verschwindet. //

Regie: Jakob Arnold
Bühnen- & Kostümbild: Cornelia Brey
Dramaturgie: Peter Krauch

Stücklänge: ca. 70 Min. (keine Pause)
Weitere Infos: Dramaturgische Einführung | Premiereninterview | Weitere Fotos


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"Kann ich dich berühren? Nur um sicher zu sein."

Eine Forschungsgruppe in einer Raum- station auf einem mehrere Millionen Kilometer entfernten Planeten verliert jeglichen Kontakt zur Erde und muss sich fragen, ob der Exitus der Menschheit eingetreten ist. Auf sich alleine gestellt, finden sie sich in einer Situation wieder, die sie selbst bald nicht mehr greifen können. Ziellos und ohne Kommunikationssysteme drängt sich die Frage auf, ob das, was sie in der Enge ihrer Raumstation erleben, überhaupt real ist. Denn so wie ihre Erinnerungen an die Erde verblassen, entgleitet ihnen auch die eigene Identität … Alistair McDowall (*1987) hat mit sei- ner Mischung aus Science-Fiction, Subversion und Theater ein komplett neues Genre erschaffen. Vom britischen Feuilleton hochgelobt, gehört McDowall zu Englands jungen Wilden des Theaters – und auch die Landesbühne hat sich von seinem unnachahmlichen Stil begeistern lassen. //

Regie: Maximilian J. Schuster
Bühnen- und Kostümbild: Frank Albert
Sound- und Videodesign Tim-Christoph Bach
Dramaturgie: Kerstin Car

Weitere Infos: Dramaturgische Einführung | Premiereninterview | Weitere Fotos