„Das Leben ist so undeutlich, da müssen unsere Geschichten nachhelfen.“
Der Arbeitsauftrag für Journalist Alfred Loth ist klar. Er soll über die Spaltung der Gesellschaft, den rechtspopulistischen Ruck, der sie erschüttert, und den daraus resultierenden Graben schreiben. Kein allzu schwieriges Unterfangen, denn das Thema ist ihm erstaunlich nahe: In seinem Heimatort ist sein alter Studien-
kamerad Thomas zum populistischen Provinzpolitiker aufgestiegen. Da es kaum bessere Anschauungsobjekte gibt, stattet Alfred Thomas einen unangekündigten Besuch ab. Dieser wohnt traditionsbewusst mit seiner schwangeren Ehefrau im Haus der Schwiegereltern. Ohne seinen Auftrag preiszugeben, taucht Alfred dort in die „Familienidylle“ ein, beobachtet die Alkoholsucht von Thomas’ Schwiegervater, die Lethargie der Schwiegermutter und die tiefe Unzufriedenheit aller. Als Alfreds Motive schließlich auffliegen, prallen zwei unvereinbare Welten aufeinander.
Palmetshofer hat mit Vor Sonnenaufgang eine spannende und zeitgemäße Bearbeitung von Hauptmanns Klassiker geschaffen und sie von ihrer Vorlage so losgelöst, dass sie klar und durchdringend den gegenwärtigen Zustand unserer Gesellschaft zeigt und dabei schonungslos ihre Zerrissenheit, Grabenkämpfe um Deutungshoheit, Fake-News und das Gefühl des Abgehängtseins beleuchtet. //
Regie: Jakob Arnold
Bühne & Kostüme: Cornelia Brey
Dramaturgie: Kerstin Car
Mit: Simon Ahlborn, Angelika Bartsch, Konstanze Fischer, Aom Flury, Helmut Rühl, Jördis Wölk, Robert Zimmermann
Vorstellungsdauer: ca. 1:20 (keine Pause)